Berberin, ein effektiver Pflanzenstoff
SALVE-Ausgabe Winter 20/21

Berberin, ein effektiver Pflanzenstoff

Illustration von Berberis vulgarisBerberin ist ein wichtiger bioaktiver Stoff im Rhizom und Rinde von einigen Pflanzen. Namensgeber ist die Berberitze. Einige dieser Pflanzen werden bereits seit Tausenden von Jahren in verschiedenen Ländern, darunter Indien, China und Japan, zur Bekämpfung von Magen-Darm-Infektionen und Durchfallerkrankungen eingesetzt. Seit den 1950er Jahren wird Berberin auch als Einzelsubstanz isoliert und als Nahrungsergänzungsmittel verwendet.

Neueste Studien haben das Wissen um die Vorzüge von Berberin vertieft und genauere Angaben zu deren Dosierung bzw. therapeutischer Anwendung offengelegt.
Berberin(hydro)chlorid ist ein hellgelbes, bitteres Benzylisochinolin-Alkaloid und kommt in der Wurzel und Rinde von Heilpflanzen, u.a. der Gattung Berberis1, Coptis2, Sanguinaria und Hydrastis canadensis, Xanthorhiza simplicissima, Phellodendron3, Chelidonium majus, Argemone mexicana und Thalictrum flavum, vor.

Berberin wirkt

  • antimikrobiell
    Insbesondere im Magen-Darm-Trakt hat es eine signifikante antimikrobielle Wirkung gegen pathogene Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten. Für Körperzellen ist es ungefährlich; und günstige Darmbakterien, wie zum Beispiel Milchsäure- und Bifidobakterien, läßt es unbehelligt.

  • mit antiviraler Breitbandaktivität
    Es hemmt effektiv das Eindringen vieler Viren in die Wirtszelle und deren daran anschließende Replikation – virusinduzierte Aktivierung von MAPK4-Signaltransduk-tionswegen und stärkt die Autophagie (Reinigungssystem in der Zelle). Zu diesen beiden erstgenannten Wirkungen schließen sich weitere an: immunmodulierend, resistenzfördernd und antiallergisch.

  • positiv bei Leaky-Gut-Syndrom
    Damit ist eine erhöhte Durchlässigkeit des Magen-Darm-Epithels aufgrund defekter „Tight Junctions“ gemeint. Dies macht es möglich, daß Mikroorganismen, Toxine und kleine Moleküle in das Blut gelangen können. So können Beschwerden wie Zöliakie, RDS (Reizdarmsyndrom), entzündliche Darmerkrankungen, Lebensmittelallergie und Autoimmunkrankheiten entstehen. In-vitro- und Tierstudien haben gezeigt, daß Berberin „Tight Junctions“ festigt und der gastrointestinalen Hyperpermeabilität, die durch proinflammatorische Cytokine und bakterielle Toxine verursacht wird, entgegenwirkt. Berberin steigert die Bildung von Tight-Junction-Proteinen und wirkt stark entzündungshemmend und analgetisch. Es kann zudem vorbeugend und zur (zusätzlichen) Behandlung von (gastrointestinalen) Infektionen, infektiösem Durchfall, Gastritis, Magengeschwür, Refluxösophagitis und bei Darmdysbiose eingesetzt werden.

  • bei metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus (Typ 2)
    Die Insulinresistenz wird verringert: Die Empfindlichkeit der Zellen gegenüber Insulin wird erhöht und die Produktion von Insulinrezeptoren steigt. Es hat zudem eine direkte blutzuckersenkende Wirkung durch Hemmung einiger Enzyme im Darm (α-Amylase und α-Glucosidase). Dadurch wird die Kohlenhydratverdauung verlangsamt. Infolgedessen werden weniger Monosaccharide gebildet und absorbiert.
    Der Lipidstoffwechsel scheint durch Berberin besser reguliert zu werden, was zu einer Senkung der Blutfettwerte führt. Berberin wirkt zudem antioxidativ, organschützend, neuroprotektiv, atherosklerosehemmend und blutdrucksenkend.

Weitere Einsatzgebiete sind das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS), kardiovaskuläre Erkrankungen (Atherosklerose, Bluthochdruck, Arrhythmie, ischämische Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Bauchaortenaneurysma, Lebererkrankungen (nicht-alkoholische Fettleber, Fibrose, Zirrhose), Mundaphthen und Thrombozytopenie. Auch eine mögliche Unterstützung bei Krebs, neurodegenerativen Erkrankungen, Stimmungsstörungen (Depressionen, Angstzustände), posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD), Schizophrenie und Psychosen werden beschrieben.
Berberin schützte im Tierversuch u.a. vor der Toxizität von Cisplatin, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Paclitaxel, Bleomycin, Methotrexat und Paracetamol. Es verhindert möglicherweise die Eisenanhäufung und eiseninduzierte Schädigung von Leber und Nieren, teilweise durch Eisen-Chelatbildung und Reduktion des oxidativen Stresses. Berberin kann vor Blei-induziertem oxidativen Streß und Leber- und Nierentoxizität schützen. Vorklinische Forschungen deuten darauf hin, daß Berberin eine antidepressive Wirkung hat, was zum Teil auf die Hemmung des Enzyms Monoaminoxidase zurückzuführen ist. Es ist unbekannt, ob es in normalen Dosen die Wirkung von MAO-Hemmern verstärken kann. Es schützt vor Ethanol-induzierten Geschwüren.

Vorsicht bei der Anwendung

Von der Anwendung (Kontraindikation) wird bei Schwangerschaft und Stillen, sowie bei niedrigem Blutdruck abgeraten.
Aufgrund der oben genannten Wirkungen sollten Menschen, die Antidiabetika, cholesterinsenkende Medikamente, gerinnungshemmende Medikamente, Thrombozytenaggregationshemmer oder Blutdrucksenker einnehmen, in Betracht ziehen, daß Berberin die Effekte verstärken kann.
In einer Pilotstudie am Menschen reduzierte Berberin (300 mg dreimal täglich) signifikant die Aktivität der Cytochrom-P450-Enzyme CYP2D6, CYP2C9 und CYP3A4. Dieser Effekt ist wahrscheinlich dosisabhängig. Dies impliziert, daß der Blutspiegel (und die Bioverfügbarkeit) von Medikamenten, die durch diese Enzyme umgewandelt werden, bei gleichzeitiger Einnahme von Berberin (stark) ansteigen kann, und ob die Dosis des Medikaments angepaßt werden sollte.
Berberin hat in der empfohlenen Dosierung eine geringe Toxizität und kann langfristig verwendet werden. Besonders bei höheren Dosierungen leiden manche Menschen an (leichten) Magen-Darm-Beschwerden (wie Verstopfung, Durchfall, Blähungen) – dies wurde auch bei Placebo beobachtet. In der Regel verschwinden diese Beschwerden innerhalb von 4 Wochen, manchmal ist es notwendig, die Dosis auf maximal 500 mg/Tag zu reduzieren.
Berberin konnte im Tierversuch den Blutspiegel von Digoxin und Metformin erhöhen. Digitalis- und/oder Metforminmedikamente könnten also kontrolliert reduziert werden.
Es ist vorzuziehen, Berberin wegen einer möglichen Potenzierung der Kardiotoxizität nicht in Kombination mit Makroliden5 zu verwenden. In Kombination mit Statinen erhöht es das Risiko einer (schweren) Kardiotoxizität. Soweit bekannt, ist es sicher, Berberin mit Rotem-Hefe-Reis6 zu kombinieren.
Der Plasmaspiegel von Ciclosporin7 steigt bei gleichzeitiger Anwendung von Berberin (200 mg dreimal täglich) signifikant an. Dies wurde in mehreren Humanstudien nachgewiesen. Es ist möglich, Berberin weiter zu verwenden, wenn die Dosis von Ciclosporin angepaßt wird.Schöllkraut enthält Berberin

Dosierungsempfehlung

Übliche Dosierungen sind 200 - 2000 mg Berberin pro Tag.
In geringen Dosen kann Berberin als antimikrobielle Prophylaxe (Hemmung der Biofilmbildung) eingenommen werden, in höheren Dosen als antimikrobielle Therapie (zugleich Hemmung und ggfs. Abtötung von Mikroorganismen). Eine Dosis ab 1200 mg Berberin führt beim Menschen zu einer signifikanten Verlängerung der Passagezeit durch den (Dünn-)Darm.
Berberin wird vorzugsweise zu den Mahlzeiten über den Tag verteilt eingenommen.
Richtwerte bei bestimmten Erkrankungen:

  • Fettstoffwechselstörung: 500-1500 mg/Tag
  • Metabolisches Syndrom: 1000-1500 mg/Tag
  • Diabetes (Komplikationen): 1000-2000 mg/Tag oder 20 mg/kg/Tag
  • RDS-D (Reizdarmsyndrom / Durchfall): 500 mg/Tag
  • Prävention Strahlungsdarmentzündung: 1000 mg/Tag
  • Prävention Strahlungslungenschäden: 20 mg/kg/Tag
  • Lebererkrankung: 500-1500 mg/Tag
  • Herzrhythmusstörungen: 1000-2000 mg/Tag
  • Herzinsuffizienz: 100-2000 mg/Tag
  • PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom): 1500 mg/Tag

Magen-Darm-Beschwerden treten seltener auf, wenn Berberin nach einer Mahlzeit eingenommen wird. Es scheint sicher für Menschen mit chronischer Lebererkrankung zu sein. Berberin kann in den meisten Fällen gut mit regulärer (angepaßter) Medikation kombiniert werden.

1    B. vulgaris, B. aristata, B. croatica, B. aquifolium. B. sibirica
2    C. chinensis, C. japonica
3    P. chinense, P. amurense
4    MAPK: mitogen-activated protein kinase
5    z.B. Erythromycin, Clarithromycin und Azithromycin
6    Siehe SALVE-Online-Artikel: „Roter Reis: Natürliche Alternative zu Statinen“, www.salve-gesund.de/unsere-leistungen/online-artikel
7    Arzneistoff aus der Gruppe der Immunsuppressiva; auch bestimmt durch die Aktivität der Effluxpumpe P-Glykoprotein und CYP3A4

Quellen:
www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6485276
PM Greenleaves Vitamins, Wikipedia
www.orthoknowledge.eu/naehrstoffe/berberin