Mit der Homöopathie betitelte Samuel Hahnemann das Prinzip „Ähnliches heilt Ähnliches“. Dahinter steht das kosmische Gesetz der Resonanz. In der Spiegelung der Selbsterkenntnis liegt Raum für Heilung und Selbstverwirklichung.
„Gnothi seauton“ heißt es über dem Apollotempel von Delphi, was altgriechisch für „Erkenne dich selbst!“ steht. Vor dem Hintergrund der angewandten Homöopathie1 und tiefgehenden Anamnesepraxis verstehe ich diesen Aphorismus als „Licht ins Dunkle bringen“. Ein überaus moderner menschlicher Zug ist es, die Anteile eines Selbst möglichst unbeachtet und bedeckt zu lassen, die am meisten Heilung durch Aufmerksamkeit bedürfen. Es ist die Angst und das unwohle Gefühl, sich mit Unangenehmem beschäftigen zu müssen, was uns davon abhält. Unser Bewußtsein wirkt dabei jedoch wie eine Taschenlampe, die Licht in den dunklen, ungeliebten Keller bringt. Bringen wir den Mut auf, möglicherweise therapeutisch angeleitet, uns den eigenen Schattenanteilen, dem „konstitutionellen Paket“, zuzuwenden, verliert die Angst ihre Macht, und wir gewinnen Raum für Selbstverwirklichung. Erst wenn wir unsere „Seelenburg“ zurückerobern, in einem friedvollen Feldzug der Selbstliebe, füllen wir jeden Winkel wieder mit Leben.
Das homöopathische Prinzip
Bei malignen2, septischen Zuständen mit Blutungen und bläulichen Verfärbungen3, wie sie bei Geschwüren (etwa der Beine) aber auch bei schweren Mandelentzündungen vorkommen können, denkt der Homöopath beispielsweise an ein Heilmittel wie die Klapperschlange (Crotalus horridus) oder der Buschmeisterschlange (Lachesis muta), weil erfahrungsgemäß die Konfrontation mit dem Ähnlichen die besten Heilungschancen bietet. Der Arzneistoff aus der Natur, der beim Gesunden ähnliche Symptome hervorruft wie die, die der Kranke zeigt, wird quasi als resonante, bewußtmachende Reiztherapie gegeben, um einen heilsamen Impuls zu setzen – Ähnliches mit Ähnlichem heilen oder similia similibus curentur.
Dieses Ähnlichkeitsprinzip braucht nicht zwangsweise Globuli, um zu wirken und läßt sich auch im Alltag beobachten. Überall dort, wo (unbewußt) resonante Beziehung zum Vorschein kommt: Hund und Herrchen, oder andere Arten der Tierliebhaberei, Partnerwahl, Hobbies und Interessen, die einen tieferen Kern befriedigen etc. Speziell, vor allem therapeutisch angewendet, wirkt diese Art des Spiegels in der Kunst (z.B. Ergo-, Musik- oder Theatertherapie) oder der dynamischen Familienaufstellung. Bei letzterem erlebt der Aufsteller im morphologischen Feld den heilsamen Ähnlichkeitsimpuls durch das Rollenspiel.
Das Gegenstück dazu bietet das Prinzip der Antipathie, das Samuel Hahnemann als Allopathie4 betitelte. Hierbei wird mit dem Gegenteil der Symptomatik gearbeitet – contraria contrariis. Beispielsweise wird Loperamid bei Durchfallerkrankung5 gegeben, das aufgrund seiner chemischen Wirkungsweise (Opioid) die Darmperistaltik hemmt, oder Schlafmittel, wie Mohnsaft, werden bei Schlaflosigkeit angewendet, weshalb er sie palliativ6 nannte. Am deutlichsten spürbar ist dieses Prinzip der Unterdrückung bei einer oberflächlichen Verbrennung, die durch eine kühlende Anwendung behandelt wird. Der Schmerz kommt meist umso heftiger wieder, sobald der kalte Reiz weggenommen wird.
Anamnese
Natürlich ist der Zustand des Patienten in seiner Gesamtheit zu erfassen, um auf das passende Simile7 zu kommen. Dazu zählen diagnostisch neben den „oberflächlichen“ Körper- eben auch Gemütssymptome; und hierbei ganz besonders die auffallenden, sonderlichen, ungewöhnlichen und eigenheitlichen (charakteristischen) Zeichen8. Daher ist der Homöopath sehr interessiert, den Menschen in seiner Erfahrungswelt kennenzulernen und spezifische Modalitäten zu erfahren, wie z.B. eine Verschlimmerung in rechter Seitenlage oder nach dem Schlaf. Um es kurz zu fassen: Was wird erlebt, und wie wird es erlebt (Reaktionsmuster)?
Ich vergleiche das Verhältnis Behandler/Patient deshalb mit dem eines Blinden, der an der Hand genommen und in ein fremdes Land geführt wird. Im meditativen Zustand des reinen Gewahrwerdens folgt man den Ausführungen und läßt sich auffallende Dinge besonders detailliert beschreiben. Ganz im Vertrauen, daß der Patient das nennt, was einen besonderen Stellenwert in seiner Erlebenswelt hat und somit energiegeladen (emotional, mit Gesten untermalt, besonders betont/wiederholt) zum Ausdruck kommt. Das Schöne daran: Der Patient muß nicht alleine in unliebsame Gefilde absteigen, sondern ist in professioneller, empathischer Begleitung.
Als enorm hilfreich habe ich das Ebenenmodell nach Rajan Sankaran kennengelernt. Es dient spirituell-philosophisch aber genauso praktisch der Orientierung und angeleiteter Führung in die Tiefe der Vital-Empfindung. Tatsächlich stellt sich in der Praxis oft heraus, daß einmal in der Tiefe angekommen, periphere Symptome wie bspw. arthritische Schmerzen plötzlich verschwinden. Deshalb bin ich der Überzeugung, daß die verabreichten Globuli oder Dilutionen diesen Prozeß der tiefen Selbsterkenntnis quasi in den Alltag forttragen. Ich durfte ebenfalls erleben, daß die Anwendung homöopathischer Arznei auch unbewußt, z.B. bei Kleinkindern oder Tieren wunderbar Erfolge zeigt. Placebo und Nocebo haben ihren Stellenwert, erklären jedoch nicht: „Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit, oder Hebung und Vernichtung der Krankheit in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zuverlässigsten, unnachtheiligsten Wege, nach deutlich einzusehenden Gründen.“9
Die Potenzierung – dynamische Verdünnung
Im oben genannten Beispiel der blutenden, septischen Erkrankung wäre es offensichtlich fatal, (Schlangen-)Gift direkt anzuwenden. Die ohnehin geschwächte Lebenskraft – Samuel Hahnemann sprach von der Dynamis – würde das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überstehen und der Patient versterben. Daher die Entwicklung der Potenzierung. Darin erkennt man eine weitere apollonische Weisheit: „mēden agan“, „nichts im Übermaß“.
In der homöopathischen Heilkunst nutzt man jedoch nicht nur eine schrittweise Verdünnung im Verhältnis 1:10 (Dezimal) oder 1:100 (Centesimal), sondern zudem rhythmisch-dynamisches Reiben, Kratzen und Schütteln über viele Stunden. Energiemuster/Schwingungen sind übertragbar, was wir heute z.B. durch Wasserkristalle oder spagyrische Trockenbilder darstellen können. Dem Trägerstoff der Verdünnung wird also Schritt für Schritt mit viel Aufwand das energetische Muster übertragen indem man sich gleichzeitig aus dem Chemisch-Materiellen entfernt. Rechnerisch ist dann ab einer D24, bzw. C12 keine Ursprungssubstanz mehr enthalten. Die erfolgreiche Anwendung einer Hochpotenz gleicht also einem quantendynamischen Impuls.
Allopathen weisen dies, weil unfaßbar, immer noch gerne zurück und meinen, durch Verschlucken einer kompletten Packung Globuli auf einmal zu beweisen, daß hierbei keine Wirkung eintreten könne. Bei dieser dynamischen Reiztherapie ist es jedoch egal, ob ein oder hundert Globuli eingenommen werden, solange der Reiz ankommt. Wenn mich mein Nachbar in 20 Meter Entfernung im moderaten Ton gut versteht, werde ich die Gesprächsinfo nicht deutlicher machen, wenn ich ein Megaphon benütze.
Anders verhält es sich, wenn öfter ein (inadäquater) Reiz wiederholt wird. Hierbei lassen sich Symptome provozieren, die man in der Homöopathie als Arzneimittelprüfung bezeichnet – diese werden dann im Buch der Materia medica zusammengefaßt. Homöopathische Hausmittelanwender mögen dies bitte beachten!
Der Weg der Heilung
In der Praxis hat sich gezeigt, daß ein gut gewähltes Mittel eine Reaktion zeigt, die man mit dem Begriff Katharsis benennen kann. Es findet eine Reinigung statt, die sich durch Ausleben und Bewußtwerdung innerer Anteile ausdrückt. Es kommt häufig zu erinnerlichem, intensiverem Traumerleben, emotionalen Bewegungen und spiritueller Freiheit – erlebt im Umgang mit bisherigem Streß. Es ist zeitgleich, als ob sich körperliche Symptome in diesem wiedergewonnenen Raum auflösen können. Ich verstehe in diesem Kontext Krankheitssymptome auch als „Kondensat innerer Verstimmtheit“.
In der Ähnlichkeitsreaktion ist auch die sogenannte Erstverschlimmerung logisch. Nach relativ10 kurzem „Durchlaufen des Tals der Erkenntnis“ sollte sich alsdann deutliche (v.a. subjektive) Besserung zeigen. Constantine Hering (1800-1880) hat seine Beobachtung in der heute nach ihm benannten Heringschen Regel zusammengefaßt: Die Heilung vollzieht sich von „oben nach unten“ und „innen nach außen“, d. h. von „lebenswichtigeren zu den weniger lebenswichtigen Organen“. Es ist auch ein zeitlich rückläufiger Weg zutreffend: Die Symptome, die zuletzt da waren, verschwinden zuerst.
Es zeigt sich also, daß der Spiegel der Ähnlichkeit einen tiefen Heileffekt auslöst. Besonders behutsam durch professionelle Therapie und/oder dynamisierte Arznei ausgelöst, schreckt der Geist nicht vor der Selbsterkenntnis zurück, sondern erlaubt lichtvolle Raumgewinnung in der Tiefe des eigenen Erlebens. Man erkennt das Leben als große bunte Wiese und traut sich, den bisherigen Trampelpfad zu verlassen. Gesundung, Freiheit, Selbstverwirklichung und letztendlich spirituelle Erleuchtung werden so möglich.
1 griechisch homoion, Ähnliches und pathos, Leid, also „ähnliches Leid“
2 lateinisch malignitas, Bösartigkeit
3 siehe S. R. Phatak Homöopathische Arzneimittellehre
4 griechisch allos, anders
5 naturheilkundlich eine Entgiftungsreaktion des Körpers
6 lateinisch palliare, mit einem Mantel umhüllen, verbergen
7 lateinisch, Gleichnis oder Vergleich
8 nach Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst §153
9 Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst §2
10 Denn auch hier ist das Ähnlichkeitsprinzip erkennbar: akute Symptome reagieren rascher als chronische.
Literatur: Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst; Rajan Sankaran: Die Empfindung in der Homöopathie und The Synergy in Homeopathy; Rudolf Hauschka: Heilmittellehre und Substanzlehre; Peter Raba: Homöopathie – Das kosmische Heilgesetz, Homöovision und Göttliche Homöopathie;
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