Fermentierte Lebensmittel
SALVE-Ausgabe Sommer 2015

Fermentierte Lebensmittel

Ein uraltes, natürliches Prinzip zur Herstellung hochwertiger Nahrungsmittel. Einfach, für jeden selbst herzustellen, wirken sie sich förderlich auf unsere Gesundheit aus. Auch hier übertragen und leben uns Mikroorganismen vor, wie ein förderliches Miteinander zustande kommt.

Das Prinzip der Fermentation, oder auch Gärung genannt, wird weltweit seit Menschengedenken angewandt. Met1, Wein und Bier gehören seit Urzeiten zum Kulturgut der Menschheit und dienen, neben anderen pflanzlichen Genußmitteln, schon immer dem (rituellen) Rauschzustand. Je nach Landstrich, Bodenbeschaffenheit und -früchten, bzw. was Mutter Erde dem Menschen als Nahrungsmittel anbietet, haben sich viele regionale Traditionen der Fermentation entwickelt. Ohne die Details so sukzessive zu analysieren, wie wir es heute gewohnt sind, bemerkten unsere Vorfahren, dass man Nahrungsmittel auf diese Weise haltbarer, wertvoller und geschmacklich veredeln kann. So kennen die Asiaten schwarzen Tee, Sojasauce, Reiswein, Kimchi und vieles mehr. Aus Afrika kennen wir Gari2, Kakao und Rooibos-Tee und aus Südamerika vor allem den Tabak. An Küsten, bzw. in Fischfangkulturen entwickelten sich auch allerlei fermentierte Fischspezialitäten. Neben speziellen Sushi-Zubereitungen kennen wir hier zu Lande vor allem den Matjes3.
Der Begriff Fermentation wird gerne mit Louis Pasteur4 in Verbindung gebracht. Er beschrieb den Prozess als anaerobe Gärung, also unter Ausschluss von Luft. Im allgemeinen ist damit eine Umwandlung von organischem Material unter Einwirkung und Hilfe von Mikroorganismen und Enzymen gemeint, die teils auch unter Sauerstoffeinwirkung geschehen kann. Unter den Begriff fällt aber auch die moderne Herstellung von Medizinprodukten, wie z.B. Antibiotika und Insulin, die durch (teilweise gentechnisch gezwungene) Bakterien in Bioreaktoren synthetisiert werden.

Natürlicher Umbau

Im natürlichen Umfeld finden sich unzählige Mikroorganismen im Erdboden, an und in den Wurzeln, sowie auf und in der oberirdischen Pflanze. Wir verspeisen sie täglich und geben dabei unserem Mikrobiom und damit unserer Gesundheit wohltuende Impulse.
Im Prinzip bringt das Ursprungsmaterial bereits die nötigen Fermentationsbakterien mit sich. Sauerkraut und Salzgurken werden einfach mit 2%iger Salzlake angesetzt und in Ruhe sich selbst überlassen. Die bei der Milchsäuregärung dominierenden Milchsäurebakterien, oder Bifidobakterien, beschenken uns zudem mit Joghurt, Quark, Buttermilch, Brottrunk, Saure Bohnen und andere Sauergemüse. Damit der Impuls beim Ansetzen des Produkts auch gut gelingt, können die entsprechenden Stämme hinzu gegeben werden. Dies kann auch durch Abschöpfen bereits fertiger Mischungen geschehen.
Durch manipulierende Anbaumethoden wird die Mikroorganismenvielzahl und -zusammensetzung jedoch empfindlich gestört. Kunstdünger versalzen das Miteinander im Boden und führen mit Antibiotika (auch aus Gülle5), Pestiziden und dergleichen zunehmend zu Fäulnisprozessen. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass man aus guten Quellen wählen sollte, damit gerade Fermentprodukte nicht „umkippen“.
Die Aktivität der Mikroorganismen und der Enzyme sorgt für einen Umbau, bzw. für einen Aufschluss der Nahrungsbestandteile. Die entstandenen Stoffe sind quasi vorverdaut und reich an Vitaminen, organischen Säuren und Enzymen. Der oft verwendete Ausdruck „Abbau“ wird dem nur im Zusammenhang mit Giftstoffen und Düngern gerecht.

Aufgepasst!

Es dürfte klar sein, dass es zum gewünschten Fermentprodukt gesunde Mikroorganismen auf ebenso gesunder Pflanze, Zeit und ein geschicktes Händchen für Gefäße, Temperatur und Lagerort bedarf. Sauberkeit und Hygiene sind  ergebnisbestimmend, sollten grundsätzlich aber nicht mit Keimfreiheit gleichgesetzt werden!
Betrachtet man die industrielle Herstellung wird schnell klar, dass es Fehlerquellen gibt. Mikroorganismen werden nach Effizienz vorselektiert, ggf. (gentechnisch) manipuliert und der einfacheren Kontrolle wegen, als Monokulturen gezüchtet und
beigemischt. Nur machen fünf abgetrennte Finger noch keine Hand.
Zeit ist Geld. Also wird möglichst in Stunden abgehandelt, was gerne mehrere Tage beanspruchen würde. Das Endprodukt ist dabei aber oft nicht länger haltbar und hochwertiger als die Ausgangsstoffe, was durch z.B. Pasteurisierung6 beeinflusst wird. Aber auch die kurze Hitze wirkt sich negativ auf die Inhaltsstoffe aus. Die Zugabe von Extra-Vitaminen und monokulturellen Darmbakterien sollen das Produkt wieder aufwerten. Deutlich wird dies z.B. beim Genuß eines selbst hergestellten Kefirs im Vergleich zur Palettenware. Letztere sind zwar Alkoholfrei, enthalten aber Laktose (!?) und keine natürliche Bakterienvielfalt.

Verbindend

Eine Kette ist immer so stark, wie ihr schwächstes Glied. So ist bei der Auswahl der Zutaten auf beste Quellen, so besonders auch beim Wasser, zu achten. Wer Spaß beim Experimentieren der Geschmacksrichtungen entwickelt, wird schnell Erfahrungen sammeln und diese gerne mitteilen. Da  es sich ja um Mikroorganismen handelt, sollte dabei darauf geachtet werden, keine antibiotisch wirkenden Stoffe (z.B. ätherische Öle ) beizugeben.
Schön ist auch das Weiterreichen der Kulturen. Im Gegensatz zu Fertigpulvern aus dem Regal, wird man sich seine Bezugsquelle intuitiv genau heraus suchen, bzw. beim Fermentieren merken, wenn es auch mikrobiell einfach nicht stimmig ist. So sorgen die Mikroorganismen für menschlichen Kontakt und Variation. Ein wohlschmeckendes, uns verbindendes Ferment ist vielleicht schon bei Dir auf dem Küchentisch gestanden: Der Hermannkuchen!

1 Honigwein; alkoholische Gärung von Honig in Wasser
2 fermentiertes Maniok
3 Geschlechtsunreife Heringe werden zur Fermentation nur teilweise ausgenommen und in Salzlake eingelegt.
4 Französischer Chemiker und Mikrobiologe (1822 - 1895)
5 Pressemitteilung des Julius Kühn-Instituts: Auswirkungen von Veterinärantibiotika in Gülle auf Bakterien im Ackerboden; www.jki.bund.de/index.php?id=940&no_cache=1&press_id=230
6 kurzzeitige Erhitzung; bei Milch etwa auf 75°C, ansonsten auch auf 85 - 135°C